Aus dem Sanella-Album Australien Neuseeland

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Aber da hält man uns schon ein Stück gebratenes Schlangenfleisch hin. Klaus sieht mich seltsam an, als er mit Todesverachtung hineinbeißt. Gott sei Dank beginnt jetzt die Korrobori, so daß wir um die Erdwürmer und Insekteneier, die man uns noch zugedacht hat, herumkommen. Ein Emutanz soll die guten Geister freundlich stimmen, damit sie mehr Emus in das Jagdgebiet der Eingeborenen senden. Jeder Tanz ist ein Sinnbild für wichtige Ereignisse im Leben der Eingeborenen. Es gibt Tänze, die Regen bringen sollen oder Glück bei der Känguruhjagd. Andere sollen Tod und Krankheit abwenden. Von einem anderen Tanz erhofft man sich Hilfe der Geister bei Rachezügen gegen Feinde. Die Emutänzer tragen einen seltsamen rotweißen Kopfputz, der aussieht wie eine lange Tüte mit einem Quast daran. Um die Knöchel haben sie sich Büschel von Eukalyptusblättern gebunden, die bei jedem Schritt rascheln. Ein alter Mann, dessen ganzer Oberkörper mit Blutfedern beklebt ist, führt die Tänzer an. Mit beiden Füßen stampft er den Boden, dreht sich langsam herum und schwingt dabei seinen langen Speer. Die anderen Männer folgen genau seinen Bewegungen. Jeder hält einen Zauberstab zwischen beiden Händen.

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Die Bewegungen werden immer heftiger, immer schneller. Die Männer und Frauen, die um die Tänzer herum am Boden hocken, singen. Es klingt wie ein heiseres Bellen! Einige bärtige Alte schlagen mit ihren Bumerangs den Takt. Ein wildes, farbenprächtiges Bild! Klaus, der ein wenig vor mir sitzt, ist ganz aufgeregt. Seine Wangen glühen - der Schweiß rinnt ihm über Gesicht und Nacken, als tanze er selbst Korrobori - weit weg von aller Zivilisation! Neue Tänzer springen in die Mitte des Kreises! Sie haben ihre Gesichter weiß gekalkt und auch wieder die blutigen Federstreifen am Körper.

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Beim flackernden Feuerschein sehen sie aus wie tanzende Gerippe! Als wir spät in der Nacht zur Ruhe gehen, träume ich noch lange von den wilden, weißen Gesichtern, den blutigen Federn und dem Gehämmer der Bumerangs. Am nächsten Tag geht die Korrobori weiter. Aber heute ist anscheinend etwas ganz Besonderes los! Abseits vom Lager, in einer flachen Sandmulde, wird aus dicken Ästen ein mächtiges Feuer entzündet. Als es lichterloh brennt, decken einige alte Männer ein paar frische, belaubte Zweige darüber. Ein dicker, blauschwarzer Rauch steigt auf. Und dann - Klaus faßt mich erschreckt an die Schulter! - springen vier, fünf Jungen in die Glut, wälzen sich zwischen den aufzüngelnden Flammen und dem beißenden Rauch - mit schmerzverzerrten Gesichtern! "Sind die verrückt geworden?" stößt Klaus zwischen den Zähnen hervor. Auch ich habe eine Gänsehaut bekommen. Vater hat mir früher schon in Green Gate von der Feuerprobe erzählt. Bevor die Eingeborenenjünglinge in die Gruppe der Männer aufgenommen werden, müssen sie eine Reihe von Prüfungen durchmachen. Und die Feuerprobe ist die letzte und schwerste!

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